Samstag, 13. Oktober 2012

Kosten des Strafverfahrens und Restschuldbefreiung


Kosten des Strafverfahrens und Restschuldbefreiung

Ausgangssituation

Soweit ein Angeklagter wegen einer Tat strafrechtlich verurteilt wird, hat er grundsätzlich die Kosten des Strafverfahrens zu tragen, § 465 I 1 StPO. Wird später über das Vermögen des Verurteilten das Insolvenzverfahren eröffnet und hat er die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt, stellt sich die Frage, ob ihn die erteilte Restschuldbefreiung von der Verbindlichkeit befreit, die offenen Verfahrenskosten an die Staatskasse zu zahlen.

Ein Insolvenzgläubiger kann unter bestimmten Umständen die Durchsetzbarkeit seiner Forderung über die Erteilung der Restschuldbefreiung hinaus retten. Hierfür ist erforderlich, dass der Insolvenzforderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung (im Folgenden: vbuH) zugrunde liegt und dass der Gläubiger die Insolvenzforderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes zur Insolvenztabelle anmeldet, § 174 II InsO. Wird schließlich die Restschuldbefreiung erteilt, wirkt sie nicht gegen die Forderung aus vbuH, § 302 Nr. 1 InsO. Der Gläubiger kann diese nach Beendigung des Restschuldbefreiungsverfahrens weiterhin gegen den Schuldner vollstrecken.

In der Vergangenheit ist es bisweilen vorgekommen, dass Bundesländer durch ihre Landesjustizkassen Kosten eines Strafverfahrens als Forderungen aus vbuH bei dem Insolvenzverwalter/Treuhänder angemeldet haben, wenn eine vorsätzlich begangene Straftat des Schuldners Anlass des Verfahrens gewesen war. Waren die Verfahrenskosten hoch, stand damit für den Schuldner die Sinnhaftigkeit des gesamten Restschuldbefreiungsverfahrens auf dem Spiel.

Aus § 175 II InsO ergibt sich, dass das Insolvenzgericht den Schuldner auf die Rechtsfolgen einer solchen Anmeldung und die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen hat. Der Insolvenzverwalter/Treuhänder ist nicht befugt, das Attribut „vbuH" zu bestreiten. Der Schuldner muss selbst aktiv werden, indem er im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren den Widerspruch erhebt, also bestreitet, dass der Forderung des Gläubigers eine vbuH zugrunde liegt, § 178 I 1, 2 InsO. Der Widerspruch muss sich nicht zugleich gegen die Forderung selbst richten, denn es ist durchaus denkbar, dass der Gläubiger eine Forderung zu Recht anmeldet, aber zu Unrecht behauptet, diese beruhe auf einer vbuH.

§ 175 II InsO sagt nicht, ob bzw. wie der Schuldner seinen erhobenen Widerspruch verfolgen muss. Im Allgemeinen wird - wie bei einem Widerspruch des Schuldners gegen die Forderung selbst - § 184 InsO angewandt. Die Einzelheiten sind umstritten. Insbesondere wenn der Gläubiger einen Vollstreckungstitel für seine Forderung in Händen hält, muss der Schuldner achtsam sein, denn unter Umständen obliegt es ihm dann, gemäß den Vorschriften des § 184 II InsO seinen erhobenen Widerspruch fristgemäß zu verfolgen und dies dem Insolvenzgericht nachzuweisen. Die Obliegenheit zur Verfolgung des Widerspruchs liegt jedenfalls dann bei dem Schuldner, wenn der Vollstreckungstitel des Gläubigers den Rechtsgrund der vbuH ausweist und dem Vollstreckungstitel auch eine gerichtliche Prüfung dieses Rechtsgrundes vorangegangen ist (näher hierzu Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Ahrens § 302 Rn. 11d, 5. Aufl. 2009).

Rechtliche Behandlung

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 16.11.2010 (Az. IV ZR 17/10) einem Schuldner Recht gegeben, der sich durch Verfolgung seines Widerspruchs dagegen gewehrt hat, dass ein Bundesland Kosten eines Strafverfahrens als Forderungen aus vbuH zur Insolvenztabelle angemeldet hatte. Der BGH hat klargestellt, dass Strafverfahrenskosten keine Forderungen aus vbuH begründen, jedenfalls sofern es sich um Gerichtskosten handelt.

Klassische Forderungen aus vbuH sind deliktische Schadenersatzansprüche nach den §§ 823 ff. BGB, die etwa entstehen, wenn der Schuldner eine Sache des Schuldners vorsätzlich beschädigt und hieraus ein Schaden resultiert. Oft entstehen solche Forderungen anlässlich einer Straftat (Beispiele: Sachbeschädigung, Körperverletzung). Die Schadenersatzansprüche stehen jedoch dem Opfer der Straftat, nicht dem Staat zu.
Gerichtskosten, die anlässlich eines Strafverfahrens entstehen, sind zwar durch die Straftat verursacht. Sie beruhen jedoch nicht auf der vbuH. Es handelt sich um öffentliche Abgaben, die keinen Sanktionscharakter haben. Überdies nimmt das Gesetz bestimmte Forderungen des Staates ausdrücklich von der Restschuldbefreiung aus. Dazu gehören beispielsweise Geldstrafen, § 302 Nr. 2 InsO. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Kosten eines Strafverfahrens nicht von der Restschuldbefreiung erfasst werden, wäre zu erwarten gewesen, dass das Gesetz diese ausdrücklich von der Restschuldbefreiung ausnimmt. Das ist aber nicht der Fall.

Fazit

Meldet der Staat Kosten eines Strafverfahrens, die bei Insolvenzeröffnung bereits begründet waren, als Forderungen aus vbuH an, sollte sich der Schuldner also zur Wehr setzen, wenn er die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt hat.

Stand: 01.06.2012

Quelle:

Kanzlei für Insolvenzrecht | Ingolstadt
Rechtsanwalt Robert Winterstein